Am 12.12.2020 referierte Herr M. Sc. Quanquan Liu, Team Lead Network Planning, Benelux & Nordics der Firma Flixbus zum Thema
Wie werden Fernbuslinien geplant und welchen Beitrag leisten sie zur Mobilitätswende?
Es war corona-bedingt der erste Online-Vortrag der BV Berg-Mark. Trotz der hohen Teilnehmerzahl von beinahe 100 Zuhörer(inne)n bereitete das Zoom-Format keinerlei technische Probleme.
Herr Quanquan Liu arbeitete seit 2014 als Angebotsplaner für das Unternehmen MeinFernbus. Nach der Fusion mit dem Unternehmen Flixbus ist er in der Abteilung Network Planning tätig. Seit drei Jahren leitet Herr Liu die Abteilung Network Planning Benelux & Nordics und hat inzwischen viele Erfahrungen über den Fernbusmarkt und auch über die Fernbuslinienplanung gesammelt
In Europa hat in den letzten Jahren der Fernbusverkehr eine große Bedeutung bei der Personenbeförderung bekommen. Der Referent gab zunächst einen Überblick über die historische Entwicklung seit Freigabe des Bus-Linienfernverkehrs im Jahr 2013. In Abgrenzung und zum Schutz des ÖPNV beginnt der Fernverkehr gesetzlich bei einer Reiseweite > 50 Km oder einer Reisezeit > 60 Min.
Zu diesem Zeitpunkt nahmen 12 Anbieter den Betrieb auf. Dabei waren die etablierten Unternehmen im internationalen Verkehr (z.B. Deutsche Touring), ausländische Konzerne sowie neugegründete Startups wie MeinFernbus und Flixbus. Bei der Fusion dieser beiden Unternehmen in 2015 betrieb Flixbus bereits 91 Linien mit 148 Zielen, MeinFernbus 88 Linien mit 241 Zielen.
Das Angebot wuchs bis 2018 stetig weiter, wurde jedoch mit Einführung des Flixtrains angepasst, wobei zu den Zügen parallel laufende bisher aufkommenstarke Linien eingestellt wurden. Der Markt in Deutschland kann daher als konsolidiert bezeichnet werden. In Italien ist dagegen noch ein starker Zuwachs zu verzeichnen, in Frankreich sind jedoch leistungsstarke heimische Wettbewerber vorhanden. 2018 wurde der Schritt in die USA gewagt, 2019 der türkische Marktführer aufgekauft.
Herr Liu erläuterte sodann die zahlreichen Einflussfaktoren, die für die Gestaltung des Angebotes maßgeblich sind. Das Unternehmen besitzt keine eigenen Fahrzeuge sondern arbeitet nach einem Partnermodell mit mittelständischen Busunternehmen zusammen. Die Fahrgäste sind immer noch zumeist jüngeren Alters, die nur aufgrund der günstigen Preise überhaupt eine Fernreise unternehmen können. Eine weitere wachsende Kundengruppe stellen inzwischen die Städtetouristen dar. Die Nachfragespitzen sind Freitags und Sonntagnachmittags (Wochenendpendler), an den übrigen Werktagen werden Abfahrzeiten am Vormittag bevorzugt. Für die größten Städte ist der „Metropole-Effekt“ vor, an und nach Feiertagen zu beachten: Vor Feiertagen verlassen die Bewohner die Stadt für Verwandtenbesuche und Touristen kommen in die Stadt, nach den Feiertagen wird entsprechend zurück gefahren, an den Feiertagen selbst finden beide Verkehre in verminderter Form statt.
Bei der Linienplanung ist zumeist ein Kompromiss zwischen attraktiver Reisezeit = wenige Zwischenstopps und Wirtschaftlichkeit: größtmögliche Abschöpfung des Kundenpotentials = mehr Zwischenstopps zu finden.
Auch die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals sind mitbestimmend für die Angebotsgestaltung. So kann die Strecke Hamburg-Berlin mit einer Reisezeit von 3.Std. 30 Min. innerhalb der zugelassenen Lenkzeit von 2 x 4,5 Stunden + 45 Min. Pausenzeit gefahren werden, so dass ein Fahrer Hin- und Rückfahrt absolvieren kann. Es existieren unterschiedliche Modelle, die zugelassenen Lenkzeiten ggfs. auch auf mehrere Kurse zu verteilen. Bei Langstreckenfahrten (z.B Amsterdam-Prag) und über Nacht sind grundsätzlich 2 Fahrer an Bord.
Weiterhin sind landestypische Besonderheiten zu beachten. In Dänemark führen die Fahrgastströme aus dem ganzen Land in die Hauptstadt Kopenhagen, welche jedoch peripher im Ostteil des Landes liegt. Die notwendigen Fahrten über eine mautpflichtige Brücke bei Odense würden zu hohen Mautbelastungen für die einzelne Fahrt führen, so dass nur noch wenige gebündelte Fahrten mit Umsteigen und hoher Besetzung die Brücke überqueren
In Spanien besteht noch keine Freigabe für Inlands-Fernbuslinien. Es werden daher vorläufig nur grenzüberschreitende Verkehre angeboten, wobei innerhalb definierter Korridore auch eine Inlandsbeförderung zugelassen ist.
In BeNeLux baut das Netz auf Halten an den Flughäfen Schiphol, Brüssel und Charleroi auf, aus dem dann auch weitere Verbindungen zwischen Städten entwickelt wurden.
In Metropolen wie Paris oder Berlin wird auf die zeitaufwendige Fahrt in das Stadtzentrum verzichtet. Stattdessen werden zumeist mehrere Haltestellen an der Peripherie mit Übergang zur U-Bahn angefahren, in den übrigen Städten bevorzugt Flixbus eine zentrumsnahe Bedienung an den zentralen Omnibusbahnhöfen. Flixbus ist hier auch bereit, angemessene Stationsgebühren zu bezahlen.
Im Fall eines Fahrzeugschadens unterwegs verfügt Flixbus nicht über Reservefahrzeuge sondern bedient sich der Hilfe der nächstgelegenen Partnerunternehmen.