Am 25.04.2013 referierte Herr Prof. Michael Braum, Vorstandvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur zum Thema
"Verkehr - Wo verkehrt die Baukultur?"
Herr Prof Braum hatte im Jahr 2012 als Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur zu Potsdam den Konvent unter das Leitthema STATTVERKEHR STADT gestellt.
Zu Beginn des Vortrages stellte der Referent anhand einiger Beispiele vor, wie die hergebrachten Gestaltungsgrundsätze aus römischer Zeit - Gebrauchsfähigkeit Dauerhaftigkeit Anmutung - (Vitruv) bei Verkehrsbauwerken bis in die späten 1950`er Jahre hinein durchaus Beachtung gefunden hatten. Besonders hervorzuheben seien z.B. die historischen Steinbrücken (z.B. Regensburg), aber auch die Eingänge der Pariser Metro, oder die gelungene Einfügung der Brennerautobahn in die Hochgebirgslandschaft.
Dieser Gestaltungsanspruch sei bei Ingenieurbauwerken in den letzten Jahren trotz zunehmenden Wohlstands der Gesellschaft leider mehr und mehr verloren gegangen. Hierfür macht Prof. Braum folgende Faktoren verantwortlich:
- Die zunehmende Spezialisierung in den Bauberufen und in der Ausbildung erschwert eine Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren.
- Die Individualisierung in den meisten Lebensbereichen verhindert eine lebhafte verbale Kommunikation zwischen den Beteiligten.
- Als Folge hiervon sind die meisten Entwürfe entsprechend der Ausbildung oder Vorlieben des Verfassers lediglich sektoral optimiert, eine Betrachtung darüber hinausgehender gestalterischer Belange, der näheren Umgebung, oder des Einfügegebotes bleibt meistens aus.
- Auch unter Bearbeitern gleicher Fachrichtungen findet eher Konkurrenzdruck als Austausch statt, so dass zwar durchaus hochwertige Einzelergebnisse erzielt werden können, ein Gesamtkontext wird jedoch häufig nicht hergestellt.
- Administrative Vorschriften wie Förder – oder Ausbaurichtlinien sind ebenfalls auf ihre jeweilige sektorale Optimierung ausgelegt, d.h. sie werden umfangreicher und detaillierter, so dass in der Bearbeitung immer weniger Raum für andere Belange bleibt. Stattdessen wird mehr Zeit darauf verwendet, die Vorhaben gegenüber Prüfinstanzen beanstandungssicher zu machen.
- Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) trägt mit ihren in §§ 2 – 10 beschriebenen Gebietstypen ebenfalls zu einer Sektoralisierung in der Bautätigkeit bei.
Baukultur hingegen bedeutet u.a. mehr Qualität für alle, die sich als temporäre Nutzer im öffentlichen Raum bewegen. Ziel ist eine stadtverträgliche Mobilität, bei welcher der Mensch im Mittelpunkt steht. Das Bauen müsse wieder als kulturelles und nicht als rein technisches Ereignis verstanden werden. Der Kontextualität d.h. dem Einfügen des Bauwerks in Bebauungszusammenhänge oder Landschaften sei wieder vermehrt Beachtung zu schenken. Prof. Braum verglich einen gelungenen Bebauungszusammenhang mit einem Mobile, bei dem jedes Einzelteil für den Gesamteindruck und Gleichgewicht des Systems unverzichtbar sei.
Als geeignete Maßnahmen zu einer stärkeren Ausprägung von Baukultur empfiehlt er:
- auf Materialqualität achten, lokale Baustoffe verwenden
- „Bordstein“ unter Denkmalschutz“ stellen, d.h. ursprüngliche Wegegestaltungen und Dimensionierungen beachten
- Die Bebauung muss zurückhaltend, nicht laut, wieder abbaubar sein, sie muss aber zugleich „anrühren“.
- Verkehrsbauwerke machen den öffentlichen Raum aus, müssen also identitätsstiftend sein. Dies gilt vor allem für die Gestaltung von Bahnhofsvorplätzen.
- Die Einführung neuer Verkehrsinfrastruktur muss als Motor der Stadtentwicklung zu einer großräumigen Optimierung des öffentlichen Raumes genutzt werden (Beispiele: Straßenbahnen in Frankreich, aber auch die Haltestellen der Regiotram Kassel oder der Busbf. Solingen Mitte)
- Bewährte Institutionen u.a. in Süddeutschland und in der Schweiz sind „Baubürgermeister“, in kleineren Städten „Ortsbaumeister“ und Gestaltungsbeiräte
- Historisches Vorbild ist der „Deutsche Werkbund“ der schon im Jahre 1908 die Akteure zusammenbrachte.
- Änderung der Ausbildungsziele im Studium zugunsten von mehr interdisziplinären Ansätzen
- Bürgerschaftliches Engagement ist einzubinden, gelegentlich aber auch zu beschränken, wenn in der Beteiligung lediglich Individualinteressen artikuliert werden.
Die aktuellen Forderungen aus Sicht der Baukultur wurden auf dem Konvent 2012 mit dem „Hamburger Appell für mehr Baukultur in der städtischen Verkehrsinfrastruktur“ für neun notwendige Handlungsebenen formuliert. In der anschließenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass auch die an der Universität Wuppertal maßgeblich entwickelte „differenzierte Bedienung“ im ÖPNV einen zu einer ortsbildverträglichen Verkehrsnutzung beitrage. Ein allgemeines Problem der Verkehrsplanung sei es, grundsätzlich dem Bedarf hinterher zu arbeiten, so dass alle Planungen unter Zeitdruck erfolgten. Schließlich wurde auch der aktuelle Umbau des Bahnhofsvorplatzes in Wuppertal angesprochen, der die städtebauliche Leitidee – Wiederherstellung des oberirdischen Bahnhofszugangs – vorrangig vor den verkehrlichen Belangen verfolgt.
Die zum Vortrag gezeigten Beispielbilder finden Sie im Download – Bereich.
Weiterer Link: Bundesstiftung Baukultur