Stefan Matena, BASt: Falschfahrten auf Autobahnen - Hintergründe, Erfahrungen und Konsequenzen

Vortrag vom 14.11.2013

Dipl.Ing. Stefan Matena, Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST):

Falschfahrer auf der Autobahn

 

Am 14.11.2013 referierte Dipl.-Ing. Stefan Matena von der  Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach  zum Thema „Falschfahrer auf Autobahnen“

Die Vortragsveranstaltung wurde diesmal von der DVWG Berg – Mark gemeinsam mit der Vereinigung der Straßenverkehrsingenieure VSVI, Bezirk Bergisch Land ausgerichtet.

Herr Matena beschäftigt sich seit dem Jahr 2004 mit Fragen der Verkehrssicherheit und Verkehrstechnik bei der BASt. Nach einer dreijährigen Abordnung zum Bundesministerium für Verkehr ist er seit diesem Jahr Referent im Bereich „Verkehrsbeeinflussung, Straßenbetrieb“ der BASt.

 Falschfahrten auf Autobahnen stehen aufgrund der Schwere der hierdurch verursachten Unfälle sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der Handlungsdruck, hier mit konkreten Maßnahmen zu Verbesserungen zu kommen, ist unverändert groß.

Zum Begriff der Falschfahrt erklärte Herr Matena zunächst, dass eine exakte Definition nach wie vor nicht gegeben sei. Fahren gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung komme in unterschiedlichsten Formen vor, z.B. auch Wenden oder Rückwärtsfahren auf dem Seitenstreifen, jedoch werde in der öffentlichen Wahrnehmung meist die klassische Streckenfahrt auf der Gegenfahrbahn auch als Falschfahrt verstanden.

Eine Studie zu Falschfahrten auf der Autobahn wurde zuletzt im Jahr 1981 erhoben und in den Jahren 1989, 1994 und 2005 in Teilen fortgeschrieben. Daher wurde im Jahr 2010 die Universität Wuppertal, Prof. Dr. Gerlach mit der Erarbeitung einer neuen Studie beauftragt. Diese wurde in diesem Jahr abgeschlossen.

Insgesamt gibt es jährlich ca. 1.800 Falschfahrermeldungen, 80 Unfälle, davon 40 mit Personenschäden und 13 Unfälle mit Todesfolgen. Im Vergleich zu 1981 sei die Zahl der gemeldeten Falschfahrten gleich geblieben, die Zahlen der Unfälle, Personenschäden und Todesfälle sei jedoch zurückgegangen, so dass vor allem unter Berücksichtigung der gestiegenen Fahrleistung und der Vergrößerung des maßgeblichen Verkehrsgebietes durch die deutsche Wiedervereinigung eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist.

Auch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland durchaus gut ab. Nach einer slovenischen Studie liegt der Durchschnittswert der Industrienationen hier bei 2 Unfällen pro 1 Mio. EW, er wird hier ebenso wie in Frankreich und den Niederlanden deutlich unterschritten.

Die Erforschung der Hintergründe von Falschfahrten beginnt mit den Fragen „wo“ und „wann“. Örtlich überwiegen eindeutig ´Falschfahrten, die an den Anschlussstellen einer Autobahn beginnen (Deutschland: 30 – 50%, international 10 – 50%). Anhand einer Grafik aus der Studie von 1981 erläuterte der Referent die vielfältigen Möglichkeiten, an einer Autobahn – Anschlussstelle zum Falschfahrer zu werden.

Falschfahrten verteilen sich nicht gleichmäßig auf das Autobahnnetz. Stattdessen konnten Häufungspunkte identifiziert werden. Schwerpunkte sind unter anderem Ballungsräume, Grenzregionen und Autobahn­enden.

In der zeitlichen Verteilung ist das Wochenende, speziell die Nacht von Samstag auf Sonntag Schwerpunkt, Fahrten unter Alkohol und Drogen sind hier vermutlich die Hauptursache. Eine US-Studie zufolge tritt eine solche Häufung dort ebenfalls auf; zeitlich exakt eine halbe Stunde nach der gesetzlichen Sperrstunde der Bars. Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ergeben in Deutschland einen Anteil von 12 bis 33% aller Falschfahrten, internationale Studien geben Anteile von 11 bis 50% an. Bei diesen Fahrten stehen junge Fahrer im Vordergrund, während die Ursachen Verwirrtheit und sonstige geistige und körperliche Mängel eher bei älteren Fahrern auftreten. Diese machen Anteile in Deutschland von14 bis 40%, international von 6 bis 44% aus.

Bedeutsam sind ebenso die bewussten Falschfahrten mit 12 bis  51% Anteil an allen Falschfahrten. Diese Falschfahrten entstehen unter anderm durch bewusste Wendefahrten, die Wiedergewinnung verlorener Gegenstände oder die Befolgung unrichtiger Aufforderungen des Navigationssystems.

Infrastrukturelle Mängel können das Entstehen von Falschfahrten begünstigen. Solche Mängel sind im Wesentlichen nicht erkennbare oder fehlende Verkehrszeichen, sogar Zeichen 267, Verbot der Einfahrt fehlt gelegentlich.

Auf Basis der Erkenntnisse müssen bei der Wahl geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung von Falschfahrten daher die Faktoren Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur berücksichtigt werden.

Für den Bereich der der Infrastruktur werden die Maßnahmenschwerpunkte

·        Mängel detektieren und beseitigen (Audit, Anschlussstellenschau)

·        Verkehrsführung verbessern durch Markierung und Beschilderung sowie

·        Weiterentwicklung kooperativer und telematischer Systeme

näher an Beispielen erläutert.

In Zusammenarbeit mit der TH Mittelhessen hat die BASt eine Checkliste für Anschlussstellen erarbeitet und den Straßenbauverwaltungen der Länder zur Verfügung gestellt.

In Bayern wurden einige Anschlussstellen im Grenzgebiet zu Österreich testweise mit veränderten Markierungen und den in Österreich verwendeten Warntafeln „Stop / Falsch“ ausgestattet. Bislang können hier noch keine belastbaren Aussagen über die Wirkung der Tafeln und der veränderten Markierungen abgeleitet werden.

Neben klassischen Maßnahmen gegen Falschfahrten werden auch telematischer Systeme zur Vermeidung von Falschfahrten entwickelt.

Als telematische Systeme zur Verhinderung von Falschfahrten kommen

Unterflurbeleuchtungen, dynamische Verkehrszeichen und fahrzeugseitige Systeme bis hin zur C2C – Kommunikation in Frage. Erste Systeme sind derzeit international vereinzelt im Einsatz. Auf diesem Feld sind in den kommenden Jahren Weiterentwicklungen und Feldversuche zur Erprobung der Technik zu erwarten.

In der nachfolgenden Diskussion empfahl der Referent, bei erkannter eigener Falschfahrt sich zum nächstgelegenen Fahrbahnrand zu bewegen. Dies sei bei der „klassischen Falschfahrt“ der Mittelstreifen. Weitere Hinweise zum richtigen Verhalten finden sich auch in Ratgebern der Automobilclubs.

Der Einsatz von Federkrallen sei im Rahmen der Güterabwägung nicht zu vertreten.. Auch der Verkehrssicherheitsrat der USA und die US-Bundesstraßenbehörde haben die Empfehlung ausgesprochen, diese Vorrichtung nicht einzusetzen.

 

Die zum Vortrag gezeigten Präsentationsfolien finden Sie im Download – Bereich.