Am 30.01.2020 referierten die Herren Alexander Dyskin und Kim Kohmann vom Competence Center Transportation der Roland Berger GmbH zum Thema
“Passagierdrohnen: Erfolgsfaktoren für die Mobilitätsrevolution des 21. Jahrhunderts“
Die wachsende Urbanisierung, die damit einhergehende Straßenüberlastung, unzureichender Ausbau leistungsfähiger ÖV-Systeme und neue Fortschritte in der Flugzeugtechnologie machen die Zeit reif für eine neue Art der Mobilität: unbemannte Passagierdrohnen zur Personenbeförderung. Eine kommerzielle Nutzung von Drohnen in Form von Flächen-Flugzeugen oder Helikoptern zum Passagiertransport kann eine komplett neue Industrie schaffen, in der weltweit bis 2050 fast 100.000 Flugobjekte zum Einsatz kommen könnten.
Bis dahin erwartet Roland Berger Fortschritte beim Elektroantrieb, der autonomen Flugtechnologie und bei der 5G-Kommunikation, die einen kommerziellen Betrieb von unbemannten On-Demand-Luftttaxi-Diensten, Flughafen-Shuttles oder auch Überlandflügen ermöglichen. Der städtische Verkehr würde um die dritte Dimension erweitert. Es ergäben sich neue Anwendungsmöglichkeiten für Reisende mit erhöhten Anforderungen an Komfort und Geschwindigkeit, für Rettungsdienste oder für öffentliche Anwendungen.
In Dubai, Singapur, Los Angeles und Dallas sollen in den kommenden Jahren Pilotprojekte starten, mit denen Erfahrungen zur Integration in ein vorhandenes Verkehrsnetz, zur Ermittlung und Vernetzung notwendiger Partner sowie zur Kostensenkung gesammelt werden sollen.
Das Beratungsunternehmen Roland Berger wurde 1967 gegründet und ist mittlerweile mit 52 in 35 Ländern vertreten. Eine der Unternehmensphilosophien lautet „Bringing Science to Business“, weshalb eine enge Kooperation mit Hochschulen besteht.
An dem Projekt Passagierdrohnen sind darüber hinaus die beiden großen Flugzeughersteller, sowie der Autoindustrie und des Transportgewerbes (Uber) beteiligt.
Für Dubai besteht bereits seit 2015 eine Investitionsstrategie für innerstädtische Luftverkehrsprojekte, durch die wenig verdichtete Bauweise könnten innerstädtische Luftverkehrs-Korridore ohne weiteres definiert werden.
Nach einer Befragung von Entscheidern zur künftigen Einsatzreife wurde von 51% ein Zeitraum von etwa 5-10 Jahren genannt.
Für eine erfolgreiche Einführung des Projekts sind nach Auffassung der Referenten folgende Erfolgsfaktoren maßgeblich:
- Anpassung an Marktbedürfnisse: Mögliche Einsatzzwecke und Kundenerwartungen definieren,
- Öffentliche Akzeptanz: Breite Zustimmung auch in der betroffenen Stadtgesellschaft herstellen,
- Interdisziplinäre Herausforderungen: Ermitteln, welche möglichen Partner am Projekt zu beteiligen sind und diese vernetzen.
Als mögliche Anwendungsfälle unbemannter Drohnen kommen in Frage: Öffentlicher Verkehr, Rettungsdienste / Arzneimitteltransport, Inspektion und Wartung, sowie E-Commerce,
Für die Personenbeförderung wurden wiederum die Einsatzgebiete Air-Taxi, Flughafen-Shuttle aber auch zwischenstädtische Verbindungen im Entfernungsbereich von etwa 50-250 Km genannt, sofern schnelle umsteigefreie Schienenverbindungen oder staufreie Autobahnen nicht vorhanden sind.
Air Taxis würden on demand als Punkt zu Punkt -Verbindungen verkehren und damit den Haupt-Einsatzzweck ausmachen
Bei der derzeit vorhandenen Vielfalt an Drohnentypen für spezifische Einsatzzwecke erwarten die Referenten eine Standardisierung.
Als wesentliche Akzeptanzkriterien werden genannt: Sicherheit, Lärmarmut, Bequemlichkeit und Preis. Das System ist als öffentlicher Verkehr auszugestalten und zu Preisen anzubieten, die etwa im Taxigewerbe üblich sind. Der Eindruck eines Spielzeuges nur für Reiche ist unbedingt zu vermeiden.
Die Einhaltung dieses Preislimits erscheint realistisch. Durch die hohe Beförderungsgeschwindigkeit können in gleicher Zeit erheblich mehr Transortaufträge erledigt werden als mit bodengebundenen Taxis.
Für eine mögliche Lärmbelästigung als wesentliches Gegenargument wäre eine gesetzliche Regelung erforderlich, ebenso wie für eine geringere Flughöhe im Stadtverkehr in Abweichung von der derzeit nach dem Luftverkehrsgesetz geltenden Mindestflughöhe von 300 m.
Im Vergleich zu herkömmlichen Helikoptern sollen autonome elektrisch betriebene Passagierdrohnen erhebliche - auch klimafreundliche - Vorteile bieten: Sie sollen – entsprechende Entwicklungsfortschritte vorausgesetzt 4 mal leiser, 2 mal sicherer, 14 mal verlässlicher und 10 mal billiger sein.
Bereits heute könnten Volocopter und Quadrocopter auch bei teilweisem Ausfall von Rotoren sicher weiterfliegen und landen.
Darüber hinaus ist die Verteilung und Gestaltung von Start- und Landeplätzen in der Stadt zu klären. Von der Art der eingesetzten Drohne hängt es ab, ob senkrecht gestartet werden kann oder An- und Abflugbereiche einzurichten sind. Im ersten Fall kommen Hausdächer, Vertiports auf Parkhäusern, oder sonstige kleinere Freiflächen in Frage.
Weiterhin sind Wartungs- und Ladeinfrastruktur, eine 5G Kommunikation, sowie eine Flugsicherung / Steuerzentrale zu installieren.
Hierzu ist die Zusammenarbeit von Behörden, Herstellern, Infrastrukturunternehmern und Betreibern erforderlich.
In einer weiteren Umfrage sollte ermittelt werden, ob mögliche Kunden das System auch nutzen würden und ggfs. wie oft und zu welchen Zwecken. Die deutliche Mehrheit (43%) würde Passagierdrohnen lediglich gerne einmal ausprobieren, deutlich weniger befragte würden sie im täglichen Berufspendelverkehr nutzen, auch um Straßenverkehr zu reduzieren. Die „letzte Meile“ im Zu- und Abbringerverkehr zu einem öffentlichen Verkehrsmittel (Metro) wurde ebenfalls genannt und ist auch in Dubai als vorrangiger Einsatzzweck angedacht.
In der anschließenden Diskussion wurde kritisch hinterfragt, ob ein unbemannter elektrischer Betrieb gegenüber herkömmlichen Helikoptern tatsächlich derartige Vorteile, insbesondere bei den Kosten erbringt. Auch die bisher schon bei Batterie-Elektro-Straßenfahrzeugen problematischen Aspekte, Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom, Gewicht und Leistungsfähigkeit der Batterien, Feuersicherheit und Recycling stellen sich im Luftverkehr noch einmal in deutlich erhöhtem Maß.
Innerstädtische Luftverkehrskorridore werden in den dicht bebauten europäischen Städten nur mit erhöhtem Aufwand und u.U. gesetzgeberischen Regelungen, welche sowohl die Mindestflughöhe, als auch das Überqueren von Privatgrundstücke in geringer Höhe betreffen, durchsetzbar sein.
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