Am 15.12.2022 referierte Frau Ministerialdirigentin Kirsten Holling vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in einem wieder gut besuchten Hybrid-Vortrag zum Thema „Herausforderungen der Individualmobilität“ aus Sicht des Straßenbaus in Zeiten der Verkehrswende und unter Berücksichtigung zusätzlicher Anforderungen durch den Radverkehr. Frau Holling leitet das Referat VI Straßeninfrastruktur und Straßenverkehr. Sie hat an der Ruhr-Universität Bochum Bauingenieurwesen studiert und vor dem Eintritt in den öffentlichen Dienst bei privaten Ingenieurbüros gearbeitet.
Die Referentin definierte zunächst die Aufgaben einer Ingenieurin in einem Ministerium als Schnittstelle zwischen der Politik und fachlicher Umsetzung. Die Kenntnisse aus dem Bauingenieurs- Studium werden in der Verwaltung weiterhin benötigt, in ihrer Position als Abteilungsleiterin sind jedoch überwiegend Führungsaufgaben zu erledigen
Nach dem Neuzuschnitt des Ministeriums besteht dort eine konfliktbeladene Konstellation zwischen den Belangen des Verkehrs („Sicherheit und Leichtigkeit“) und der Umwelt. Auch der Radwegebau ist zumeist mit Flächenverbrauch und Versiegelung verbunden. Die Aussagen des Koalitionsvertrages präferieren eindeutig Erhaltungs- vor Neubaumaßnahmen. Nach Gründung der bundeseigenen Autobahn GmbH liegt die Zuständigkeit des Landes bei 13.000 Km Landesstraßen. Ziel der Unterhaltungsplanung ist lediglich, dass sich der gegenwärtige Erhaltungszustand nicht verschlechtern darf.
Wie beim Bundesautobahnnetz lag auch im Netz der Landesstraßen der Schwerpunkt der Neubautätigkeit in den 1960`er und 1970`er Jahren. Die seinerzeit erwartete Lebensdauer von 80 Jahren wurde durch den Anstieg der Fahrtleistungen, zunehmende Fahrzeuggewichte und Zahl der Fahrzeuge soweit verkürzt, dass nunmehr in NRW 4.000 Bauwerke einer Sanierung oder eines Neubaus bedürfen. Das Land ist aber auch bei Bundesvorhaben wie dem Neubau der Rahmede-Talbrücke der A45 involviert. Es müssen Konzepte für langfristige Umleitungen entworfen werden. Dies wäre im Ruhrgebiet mit seinen zahlreichen parallel laufenden Autobahnen weniger problematisch als an der A45, für die an dieser Stelle keine leistungsfähige Ausweichroute gibt.
Als Ursache der Beschädigung werden übermäßige Belastungen durch z.T. ungenehmigte Schwertransporte vermutet, die Politik benennt diese jedoch nicht sondern beschränkt sich auf wechselseitige Schuldzuweisungen bei der Frage der Verzögerung der Sanierung.
Anschließend erläuterte Frau Holling die durch DIN 1076 vorgegebenen Bauwerksprüfungen und Prüfintervalle sowie die Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauwerken
Es existiert noch ein Landesstraßenbedarfsplan aus dem Jahr 2006, der nunmehr unter Berücksichtigung des Koalitionsvertrages angepasst werden soll. Die Referentin hält den Bau einiger weiterer Ortsumgehungen weiterhin für sinnvoll wenn Ortsdurchfahrten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen und diese sodann attraktiv auch für den Radverkehr umgestaltet wird. Dieser Rückbau wird jedoch nicht mit Straßenbaumitteln gefördert, es könnten jedoch Fördergelder aus dem Städtebau bzw. Förderung der Nahmobilität bereitstehen. Für Projekte der Nahmobilität beträgt der Fördersatz immerhin 95%.
Die Landesregierung strebt bis 2027 einen Neubau von 1.000 Km Radwegen und einen Modal-Split-Anteil des Radverkehrs von 25% an. Die hält Frau Holling angesichts der unterschiedlichen Topographie in den div. Landesteilen für ambitioniert.
Es soll ein landesweites Vorrangnetz definiert und ein Bedarfsplan für ein landesweites Rad-Schnellwegenetz erarbeitet werden. Damit wird das bisherige Planungsprinzip „von unten nach oben“ auf Initiative der Kommunen durchbrochen und eine landesweite Bedarfsplanung aufgrund einer Potentialanalyse installiert.
In der Umsetzung bestehen jedoch wiederum unterschiedliche Zuständigkeiten, innerorts Kommune, außerorts Landesbetrieb. Auch fehlen noch Regelungen zur Unterhaltspflicht, Reinigung Winterdienst etc...
Eine zunehmend größere Bedeutung erfährt der Umweltschutz im Straßenbau. Die Referentin erwähnte hier z.B. die zunehmende Zahl von Grünbrücken und Querungshilfen für Tiere, zum anderen aber auch im Bereich der Baustoffe, an die erhöhte Anforderungen bei der Umweltverträglichkeit und beim Recycling gestellt werden. In älteren Brücken wurde z.T. Asbest in kleinen Abstandshaltern verwendet, die aber in den Bauplänen nicht verzeichnet sind und daher aufwendig gesucht werden müssen um die Wieder-Verwertbarkeit des übrigen Bauwerks nicht zu gefährden.
In der abschließenden Diskussion wurden geeignete Maßnahmen zur Erreichung der Verkehrswende thematisiert. Frau Holling hält rein monetäre Regelungen für sozial eher ungerecht. Stattdessen sollte die notwendige Reduzierung über ein CO2- Budget erreicht werden.
Weiterer Link: www.umwelt.nrw.de