Am 24.01.2013 referierte Herr Dipl.-Ing. Ulrich Heckmann, Teamleiter Bauunterhaltung Infrastruktur Fahrradregion beim Regionalverband Ruhr (RVR)
zum Thema "Förderung des Radverkehrs - Radschnellweg Ruhr".
Der Regionalverband Ruhr (RVR) mit Sitz in Essen ist der Zusammenschluss der 11 kreisfreien Städte und vier Kreise in der Metropole Ruhr mit rund 5,2 Millionen Einwohnern und 4.434 qm Fläche. Er geht zurück auf den in den 1920`er Jahren gegründeten Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Seit dieser Zeit nimmt der RVR interkommunale Aufgaben wie regionale Wirtschafts- und Tourismusförderung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Freiraumplanung wahr. Die Planung von Radverkehrsnetzen gehört hierbei zu den Kernaufgaben. Mit dem RVR – Gesetz von 2008 wurde dem RVR auch die Aufgabe der Regionalplanung übertragen.
Ausgangspunkt der gegenwärtigen Radverkehrsplanung ist der Umstand, dass das Radfahren in allen seinen drei Facetten Freizeitbeschäftigung, Radtourismus und vor allem auch Alltagsverkehr in den letzten Jahren enorme Zuwächse erfahren hat und dass mit weiterem erheblichem Wachstum – auch befördert durch die Entwicklung von E – Bikes / Pedelecs - zu rechnen ist.
Anhand alter Pläne demonstrierte Herr Heckmann, dass bereits der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk in den 1920`er Jahren die Radverkehrsströme erfasst und in eine Netzplanung umgesetzt hatte. Zu dieser Zeit stand der Berufsverkehr zu den großen Montanstandorten deutlich im Vordergrund. Die Infrastrukturen des Radverkehrs wurden jedoch ab den 1960`er Jahren bis etwa 1980 zugunsten des MIV zurückgebaut, worunter der Modal – Split – Anteil des Fahrrades bis heute leidet. Er beträgt im südlichen, niederbergischen Teil des Ruhrgebietes nur zwischen 3 und 5%, in den nördlichen an das Münsterland angrenzen Gebieten dagegen 15 – 18%.
Heutzutage wird der Radverkehr als Teil der Lebens- und Umweltqualität, als Standort – und Imagefaktor, sowie als Beitrag zur Lösung von Verkehrsproblemen wiederentdeckt.
Für die Planung von Radwegen und qualitativ höherwertigen Radschnellwegen steht im Ruhrgebiet ein Überangebot an stillgelegten Bahntrassen, zumeist ehemaligen Zechenbahnen, zur Verfügung. Alle Trassen werden planerisch gesichert, es besteht jedoch häufig kein Netzzusammenhang, und vor allem die Zechenbahnen erfüllen in ihrer Linienführung nur bedingt die Anforderungen des städtischen Quell- und Zielverkehrs.
Das überörtliche Entwicklungsschema des Radwegenetzes orientiert sich in Ost – West Richtung entlang der drei Flüsse Ruhr Emscher und Lippe, wobei der Ruhrtal- und Emschertalradweg z.T fetiggestellt sind. Ergänzend sind entsprechende Nord – Süd Verbindungen zwischen diesen Achsen sowie in das Umland (z.B über die „Kohlenbahn“ Hattingen – Wuppertal) zu entwickeln. Eine weitere Unterteilung erfolgt zwischen urbanen Hauptverkehrsstrecken, touristischen Routen und überregionalen Anbindungen.
Der projektierte Radschnellweg Ruhr entspricht in seinem Verlauf der ehemaligen „Rheinischen Strecke“ Der 1 Bauabschnitt zwischen Uni Essen und Stadtgrenze Mülheim/R durch den dichtbesiedelten Stadtteil Altendorf ist fertiggestellt und wird bereits sehr gut angenommen. Die Anschlüsse Mülheim/R – Duisburg und Uni Essen – Kray Nord – Bochum haben zwar das Projektstadium noch nicht erreicht, es steht jedoch fest, dass sie ebenfalls auf der „Rheinischen Bahn“ realisiert werden sollen. Ab dem Stadtgebiet Bochum über Dortmund nach Hamm sind auch noch alternative Linienführungen angedacht. Im 2 km – Radius erreicht der Radschnellweg Ruhr 1 Mio Einwohner, 430.000 Arbeits- und 100.000 Studienplätze.
Im Fahrzeitvergleich mit dem bestehenden Radnetz NRW würde der Radschnellweg deutliche Reduzierungen, in einigen Relationen bis zu 50% bei einer mittleren Geschwindigkeit von 25 km/h (Pedelec) ermöglichen.
Mit geplanten Baukosten von 1.- Mio. € / km liegt der Radschnellweg Ruhr am oberen Rand vergleichbarer Projekte. Das staatliche niederländische Ausbauprogramm für „Fietssnellwegen“ liegt ebenfalls bei etwa diesem Betrag und beinhaltet 25.- Mio. € für 16 neue Strecken, incl. Kofinanzierung sollen insgesamt 100.- Mio. € aufgewendet werden. Der niederländische Ausbaustandard liegt im Vergleich deutlich an der Spitze. In Kopenhagen genügen 250.000 € /km, wobei ein Großteil der Maßnahmen im vorhandenen Straßennetz realisiert wird.
London realisiert aktuell 12 radiale „cycle super highways“ im wesentlichen im Bestandsnetz zu etwa 800.000.- € / km. Das Projekt der Metropolregion Hannover Braunschweig, Göttingen Wolfsburg sieht 6 Routen für den Überlandverkehr mit etwa 20 km Länge und Baukosten von etwa 200.000 – 400.000.- €/km vor.
In der Diskussion befindet sich zur Zeit die Frage nach Ausbaustandards für diese neue Form von Verkehrswegen. Einigkeit besteht hinsichtlich folgender Anforderungen:
1) direkte, geradlinige, separate Wegeführung
2) Anbindung zentraler Punkte
3) Verknüpfung /Zubringerstrecken
4) Fahrbahnbreite etwa 4 -5 m, 2 Fahrtrichtungen mit Mittelweg,
5) asphaltiert, beleuchtet
6) kreuzungsfrei
7) ansonsten radfahrerfreundliche Gestaltung von Kreuzungen und Querungen
8) „Grüne Welle“
Im übrigen besteht bei den Ausbaustandards eher die Tendenz zu differenzierteren Lösungen anstelle einheitlicher Standards. Gerade im innerstädtischen Bereich treten vermehrt Konfliktpotentiale mit anderen Nutzungen wie Fußgängern, langsame / schnelle Radfahrer oder Skatern auf.
Bei Umbauten im vorhandenen Straßennetz ist zudem der Konflikt mit den Interessen des MIV absehbar, insb. wenn ein Rückbau von Parkplätzen oder eine Umstellung der „grünen Wellen“ auf Fahrradgeschwindigkeiten ansteht.
Weitere Aufgaben und offene Fragen:
Die aktuell für das Stadtgebiet Bochum zu ermittelnde Vorzugstrasse soll möglichst durch verdichtete Zonen führen und Anschlüsse an bereits bestehende Bahnradwege herstellen.
Offen sind weiterhin die Fragen nach der Straßenbaulast, sowie der Kostenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die für kommunale Straßenbauvorhaben übliche Förderquote von 75% ist für die Kommunen im Ruhrgebiet, die sich in der Haushaltssicherung befinden keinesfalls ausreichend, in der Vergangenheit konnte gelegentlich selbst bei einer Förderquote von 90% der Eigenanteil nicht erbracht werden. Eine differenzierte Lösung für innerstädtische Streckenabschnitte und Aussenbereichsstrecken wäre in diesem hochverdichteten Raum ebenfalls kaum realistisch.
Weitere Förderungen erhofft der RVR aus einer bei dem BMV beantragten Machbarkeitsstudie und dem „Aktionsprogramm Nahmobilität“ des Landes NRW.
Die zum Vortrag gezeigten Präsentationsfolien finden Sie im Downloadbereich.
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