E-Mobilität und Stromversorgung – gehen jetzt die Netze in die Knie?

Online-Vortrag von Herrn Herr Prof. Dr. Markus Zdrallek, Bergische Universität Wuppertal Lehrstuhl für elektrische Energieversorgungstechnik

Am 08.07. referierte Herr Prof. Dr. Markus Zdrallek, Bergische Universität Wuppertal  Lehrstuhl für elektrische Energieversorgungstechnik in einem Online-Vortrag zum Thema „E-Mobilität und Stromversorgung – gehen jetzt die Netze in die Knie?“

Das Energieversorgungssystem durchlebt kontinuierlich einen Wandel, gleichzeitig erfährt die Elektromobilität einen Hochlauf.

Der Referent erläuterte zunächst die herkömmliche in 100 Jahren gewachsene hierarchische Netzarchitektur mit den unterschiedlichen Versorgungseinheiten und Spannungsebenen von 380 KV für die großräumige Versorgung über 110 KV für den Bedarf einer Großstadt, 10 KV für einen Stadtteil bis zu 0,4 KV (Haushaltsstrom).

Das Netz auf der obersten Ebene erfährt durch den bis 2022 abzuschließenden Atomausstieg und den für 2038 terminierten Kohleausstieg einige deutliche Defizite.

Die im Ausbau befindlichen erneuerbaren Energiequellen wirken dagegen mehr auf den unteren Ebenen. Im Unterschied zu den vor etwa 20 Jahren installierten ersten Windenergieanlagen sind die heutigen Großstrukturen (Off-Shore-WEA) mittlerweile durchaus auch für die oberste Versorgungsebene relevant. Photovoltaik findet hingegen weiterhin im wesentlichen auf der Verbraucherebene (Hausdächer) statt, nur größere Solarfarmen arbeiten auch auf den mittleren Ebenen. Hinzu kommen noch Blockheizkraft- und Biomassekraftwerke.

Zeitgleich treten auf der Verbraucherseite mit den E-Autos und auch Wärmepumpenanlagen neue Abnehmer mit steigenden Bedarfen auf. Durch geringeren Wärmebedarf der Neu- und auch Bestandsbauten lohnt sich der Ausbau von Gasversorgungsnetzen immer weniger, weshalb mit den Wärmepumpen weitere dezentrale Einheiten zum Zuge kommen. Das hierarchisch aufgebaute Versorgungsnetz steht daher vor einem umfassenden Umbau, wobei der Investitionsbedarf von der untersten zu den oberen Ebenen hin abnimmt.

Zur Abschätzung dieses Bedarfs werden unterschiedliche Szenarien für die Zunahme von Elektrofahrzeugen betrachtet, wobei eine Variante, die auch eine Verkehrswende hin zu mehr ÖPNV und aktiven Fortbewegungsarten einplant, den deutlich geringsten Aufwand verursacht. Die Maximalvariante geht hingegen von 50 Mio. E-Autos bis zum Jahr 2050 aus.

Der Zuwachs und damit die Ausbaupriorität erfolgen in den Stadtteilen unterschiedlich, in Abhängigkeit von Technikaffinität, verfügbarem Einkommen und EFH-Anteil mit Lademöglichkeit zu Hause. Das örtliche System im Stadtquartier ist jedoch nur für eine gleichzeitige Aufladung von 50% der dort vorhandenen Pkw auszulegen. Die von der Stromwirtschaft ermittelte Wahrscheinlichkeit einer zeitgleichen Aufladung aller Pkw liegt bei 1:1 Mio., für 6 von 10 Pkw bei weniger als 1%. Auf der nächsthöheren Ebene des Stadtteils beträgt diese Quote nur noch 15%, auf den oberen Ebenen kann das Laden von E-Autos zu vernachlässigt werden.

Auf der lokalen Ebene kann sich der Bedarf durchaus verdoppeln, alle unterstellten Wachstumsszenarien kommen zu einer Überlastung der Mittelspannungsebene, was eine Erneuerung der Hälfte der Kabel und aller Ortsnetztransformatoren bedeutet. Dies bedeutet z.B. für Köln Aufwendungen in Höhe von 20 Mio.€ für das gesamte Stadtgebiet.

Dieser Aufwand könnte jedoch erheblich geringer ausfallen, wenn der Netzbetreiber in die Lage versetzt wird, das Ladeverhalten der Fahrzeuge  zu steuern und dabei auch einzelne Fahrzeuge herunter zu regeln. Die hierfür erforderliche zusätzliche Infrastruktur ist jedoch deutlich aufwändiger als ein Vollausbau der Versorgung. Nur wenn der Netzbetreiber Zugriff auf die Ladesäulen erhält, ist ein solches System darstellbar. Der Referent rechnet nicht damit, dass dabei auch zeitweise Fahrzeuge zur Netzstützung entladen werden, die Auswirkungen solcher zusätzlichen Entladevorgänge auf die Batterien neben dem normalen fahrbetrieb sind noch nicht absehbar. Bei größeren Ladestrukturen kommen Ladesteuerungen schon jetzt zum Einsatz, der Referent nannte hier exemplarisch ein Parkhaus in Düsseldorf mit 50 Ladestationen sowie den Bayer Werksparkplatz in Leverkusen mit 750 Stationen. In Hessen wurde ein komplettes Neubaugebiet mit 100 WE von vornherein mit Ladestationen, auch für einen Besucherparkplatz mit Schnellladestationen ausgestattet, wozu ebenfalls eine Ladesteuerung gehört.

Die zum Vortrag gezeigte Präsentation finden Sie hier

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